1 Modernes Märchen
„Sie waren so sehr in einander verliebt, wie es das nur noch in Büchern gibt…“.
Sie leben arm, in einer möblierten Wohnung, und schenken sich gegenseitig viel warme Liebe und viele Kinder, die im Kleiderschrank schlafen. Zwar gibt’s zu Weihnachten nur gemalte Geschenke und trockenes Brot, aber die reiche Kreativität, mit der sie ihr einfaches Leben gestalten, bringt sie einmal zu großem Reichtum. Und Dieser tut ihnen leid. Denn er schadet der Heiterkeit.
Ein romantisches Märchen von Erich Kästner, welches sich in die Komposition „Das Lied ist aus“ (Robert Stolz) verliebte, in eigener Bearbeitung von Julia Boegershausen und Björn Bewerich.
Text: Erich Kästner
Musik: Robert Stolz
Bearbeitung: Boegershausen&Bewerich
Mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber, durch den Dreiklang-Dreimasken Musikverlage.
2 Wenn eener jeborn wird
„Eener“ kommt zur Welt und bei allem unschuldigen, süßen Zucker, den so ein kleines neues Leben an sich hat, wächst und gedeiht es drauf los. Die Unschuld verfliegt schneller, als gedacht. Die Umstände lassen düstere Vorahnungen zu. …und der „janze Lebensskandal“ beginnt von vorn.
Tucholsky schrieb dieses Gedicht für die Satirezeitschrift „Die Weltbühne“. Hintergrund war das Erlebte im ersten Weltkrieg und die zunehmende Machtnahme durch die Nationalsozialisten, Unreflektiertheit, Überhand des Überlebenspragmatismus, Bildungsmangel, Ungebildetheit, und der allgemein vorherrschende Volksglaube „Muskelsaft vor Geisteskraft“.
Text: Kurt Tucholsky (unter dem Pseudonym
Theobald Tiger)
Die Weltbühne. 28. Jahrgang 1932, Nummer 24, Seite 904. Erschienen am 14. Juni 1932
Musik: Rolf Alexander Wilhelm (1927 – 2013)
3 Die Welt ist klein geworden
Original aufgenommen von Dora Gerson (1899, Berlin-1943, Auschwitz)
„Die tragischen Ereignisse im Leben und Werdegang der Schauspielerin/Kabarettistin Dora Gerson werden durch die wenigen lebendigen Aufnahmen Lügen gestraft, die sie im April 1935 in einem Berliner Synagogenkeller machte. „Die Welt ist klein geworden“ ist eine verblüffend moderne Interpretation des Zustands der Welt, die gestern hätte geschrieben werden können, und umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wann sie geschrieben und aufgeführt worden ist. Dora Gerson floh bald zu Verwandten nach Amsterdam, heiratete und brachte zwei Kinder zur Welt. Auf dem Weg in die Freiheit in der Schweiz wurde Gerson gefasst und anschliessend zusammen mit ihrer Familie in Auschwitz ermordet.
Das 2012 gegründete Semer Ensemble widmet sich der Musik, die jüdische Künstler während der NS-Zeit auf dem fast unbekannten Berliner Plattenlabel Semer aufgenommen haben. 1938 von den Nazis zerstört, galt der gesamte Semer-Katalog mit Hunderten von wertvollen, einzigartigen Aufnahmen als für immer verloren, bis er auf wundersame Weise wiederentdeckt und von Dr. Rainer Lotz in den frühen 2000er Jahren wieder aufgelegt wurde.“ (SEMER Ensemble)
Text: Fred Endrikat
Musik: Curt Bry
4 Ich hob dich tsu fil lieb
Das Stück ist eines der bekanntesten Lieder vom jiddischen Theater in New York. Es stammt aus der Musical Komödie "Der katerinshtshik" (Der Drehorgelspieler) und wurde in David Kessler's Second Avenue Theater in der Saison 1933/34 uraufgeführt. Masha erfährt in dieser Szene, dass ihr Geliebter Abrasha eine andere liebt und singt, anstatt ihn zu verfluchen, dieses Lied.
Musik: Alexander Olshanetsky
Text: Chaim Tauber
5 Wejen Dir
Ein großer Glanz konnte manches Fräulein werden, wenn sie auf Grund ihrer Kessheit, Attraktivität, feinen Bildung und bezauberndem Äußeren eine Anstellung im großen Warenkaufhaus „Herrmann Tietz“ bekam. Die verheerend hohen Arbeitslosenzahlen in den Großstädten der 30er Jahre und die Emanzipation der Frau motivierten zudem unzählige Fräuleins, eine solch noble Stellung zu ergattern, die einem Lottogewinn gleichkam.
Ein freches, lustiges und eigentlich trauriges Lied, über eine dumme, eingebildete Liebe.
Die erste Aufnahme stammt von Claire Waldoff, die Populärste von Helen Vita.
Text und Musik: Erich Einegg
6 Sie, zu ihm
Sie: „Zärtlich bist Du nicht“. Aber ER ist alles andere. Groß und stark, ehrlich, hart, männlich, loyal. Nur eben nicht zärtlich. In einer Welt, in welcher Männer und Frauen sich offensichtlich immer mehr unterscheiden wollen, schrieb Tucholsky dieses zynische, (autobiografische?) Lied, ein Lied über die Liebe.
Musik: Rolf Alexander Wilhelm (1927 – 2013)
7 Lonely house
Jazzkomposition aus der Oper “Street Scenes“, Uraufführung 1947 im Adelphi Theatr, New York. Der Komponist Kurt Weill schrieb an seinen Bruder Albert dazu 1946:
„Ich arbeite unaufhörlich an Street Scene. Es ist das Größte und gewagteste Projekt, das ich bisher hier unternommen habe, da ich diesmal eine wirkliche Oper für das Broadway Theater schreibe. Wenn es gelingt, wird es ein neues, großes Feld für mich eröffnen, da ich auf diesem Gebiete der populären Oper heute fast ohne Konkurrenz bin. Ich verwende daher mein ganzes Talent und Können und Energie für dieses Werk um es so gut, wie möglich zu machen.“
Street Scene zeigt einen Ausschnitt aus dem Leben einfacher Mietshausbewohner in New York, Einblicke in deren Wünsche und Probleme, Hoffnungen und Enttäuschungen. Lonely House beschreibt atmosphärisch die „Nacht, wenn alles ruhig ist, ein Nachbar schnarcht, ein Baby schreit, die Treppe knarrt. Es ist schon eigenartig, wie einsam man sein kann, umgeben von so vielen Menschen, Nachbarn. Nein, für mich ist die Nacht nicht romantisch. Ich bin so einsam, in diesem einsamen Haus.“
Libretto: Elmer Rice
Text: Langston Hughes
Musik: Kurt Weill
8 Die Seeräuberjenny
Ballade aus der Dreigroschenoper und neben dem Haufischsong wohl der bekannteste Klassiker der Theatermusik.
Jenny, das Abschwaschmädchen aus der Kneipe eines Hotels, poliert die Gläser, macht die Betten, und lässt sich mit einem Penny Trinkgeld demütigen, tagein tagsaus. Aber die feinen Herren „wissen nicht, mit wem sie reden“. Denn in Jennys Welt werden sie alle schon noch sehen, wer sie wirklich ist! Und dass bald das Schiff kommt, mit 8 Segeln und 50 Kanonen, und sie stolz aus der Tür tritt, wenn die Köpfe fallen. Hoppla!
Text: Bertold Brecht
Musik: Kurt Weill
9 Erinnerung an die Marie A.
Ein Gedicht, das Bertolt Brecht in der Urfassung am 21. Februar 1920 auf einer Zugfahrt nach Berlin in sein Notizbuch schrieb. Die vergehende weiße Wolke, als verblassende Erinnerung an eine Liebe, ist ein unvergessliches Bild, welches durch den kurzen Moment der Liebe ihre Einzigartigkeit schützt.
Die romantische Vertonung des Gedichtes von Franz S. Bruinier bricht mit der epischen Interpretation, um nach Brechts Willen, nicht in emotionale Tiefen zu fallen, sondern Bilder und Gedanken in Herz und Kopf entstehen zu lassen.
Text: Bertold Brecht
Musik: Franz S. Bruinier
10 Lied von der belebenden Wirkung des Geldes
„Hanns Eisler, aufgrund seiner jüdischen Herkunft und kommunistischen Überzeugung nach der Machtübernahme Hitlers 1933 in Deutschland vor den Nazis nicht mehr sicher, hielt sich in Wien und Paris auf und reiste 1934 zu Bertolt Brecht, der in Dänemark Zuflucht gesucht hatte und unter anderem an dem Stück „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe oder Reich und reich gesellt sich gern” arbeitete. Anlass war die Rassenhetze, insbesondere die Diskriminierung und Verfolgung der Juden, sowie die demagogische Sprachgewalt der Nazis. Die Vorstellung, mit Geld an Macht, Status und Gewalt zu gewinnen, ist Bestandteil einer Klassenideologie, die zu der damaligen Zeit im politischen Geschehen missbräuchlich und herrschaftlich benutzt wurde. Hass und Neid zu fördern, war Teil der politischen Weltanschauung.“ (Helmut Lenz)
Bekannte Chansonetten, wie Gisela May oder Eva-Maria Hagen interpretierten dieses Lied, wobei es nie die Popularität erreichte, die es, ob seiner Stärke und Unmittelbarkeit, verdient. Es bleibt ein unbequemes, selten gespieltes Chanson.
Text: Bertold Brecht
Musik: Hanns Eisler
11 Gehat hob ich a heym
Das kleine Dorf Lagiewniki, in der Nähe von Krakau ist einfacher Lebensmittelpunkt eines armen, aber zufriedenen Menschen. Er hat eine kleine Stube, eine Küche und einen großen Baum, vor dem kleinen Häuschen. Er lebt fleißig, hat alles mit eigener Hände Arbeit erschaffen und seine Stube ist immer gut gefüllt mit Freunden, Liedern und Gesang.
„Und dann kamen „sie“ mit Hass und Tod. Das arme Stückchen Heim, was ich gebaut, was mir gehört, vernichtet haben sie es an einem Tag.“
Nach der Besetzung Polens durch die Nationalsozialisten und nach beginnender Deportation und Ermordung aller Juden in den besetzten Gebieten, wurde das kleine Dorf, welches hauptsächlich von jüdischen Familien bewohnt war, von deutschen Soldaten der SS und SA in Schutt und Asche gelegt und mit ihm alle seine BewohnerInnen kaltblütig ermordet.
Um die Grausamkeit zu untermalen, ist der Refrain im schillerndsten, strahlensten Dur komponiert. Es klingt beinah wie ein Zustand des lachenden Weinens, des weinenden Lachens, in jedem Fall nach einem Zustand der schreienden Sprachlosigkeit.
Text: Mordechaj Gebirtig
Musik: Emil Gorovets
12 Youkali
Kurt Weill schrieb diesen hinreißenden Tango 1934 im Exil in Frankreich als Instrumentalwerk in der Oper Maria Galante. 1935 erhält es einen Text von Roger Fernay.
Gibt es ein Exil auch in uns? Einen Ort, an dem wir Zuflucht und Sicherheit finden, wo nur bedingungslose Liebe zählt, wo man geachtet wird? Ein Sehnsuchtsort. Youkali heißt der Ort in uns, mit Kraft und Mut, mit Liebe und Glut: „doch nur im Traum, in Phantasie, nur dort gibt’s unser Youkali“.
Text: Roger Fernay
Musik: Kurt Weill
Bearbeitung: Julia Boegershausen, Björn Bewerich
13 Liebesleid
Der Wiener Violonist und Komponist Fritz Kreisler schrieb dieses unverwechselbar melancholische Geigenstück als Teil einer Trilogie über die Liebe. Die hinreißende, tränenreiche Melodie mündet in einen fast tänzerischen Dur-Walzer, der uns zurück entführt in die Hoffnung und den Neuanfang.
Der Librettist Ernst Marischka schrieb den herzzerreißenden Text dazu, der im melancholischen „Liebesleid“ der Melodie kompromisslos die Hand reicht. Die bekannteste Interpretation entstand 1933, von den Comedian Harmonists.
Text: Ernst Marischka
Musik: Fritz Kreisler
14 Wejen Emil seine unanständ´ge Lust
Mein Emil, der meckert mir so brejenklütrich an
Mein Emil, der hat keene Scham
Mein Emil, der saacht mir: "Du, ick bin doch nu dein Mann
Und ick möchte von die Ehe och wat ham!
Ick möchte dir hübscher und niedlicher
Mit eenem Wort - appetitlicher
Dann würde ick mir viel mehr amesiern
Jeh zum Doktor," saacht er, "lass dir operiern!"
Ick lassmer nich die Neese verpatzen
Wegen Emil seine unanständje Lust
Ick lassmer nich det Fett aus de Oberschenkel kratzen
Wejen Emil seine unanständje Lust
Wie ick bin, hat ja der Emil schon immer jewusst
Ja, da hätter mir eben nich nehmen jemusst
Ick lasse keen' Doktor ran an meine Brust
Wejen Emil seine unanständje Lust
Die Emma von Meyers jing bei Doktor Veilchenfels
Und ließ sich auf hübsch operiern
Die dussliche Emma jab'm Veilchenfels ihr Jeld
Und nu jlaubtse, kannse jeden Mann vafiern
Man hat ihr vermantscht in de Charité
Se war schon mies, aba nu erst - nee!
Nu hatse nen Bauch wie'n Kerl, haha
Un'n Podex wie'n sechzehnjährjet Jörl
Ick wer doch mein Leben nich bei so'n Doktor jehn
Ick hab für so'n Blödsinn keen Jeld
Ick denk nur immer nach, und ick kann et nich verstehn
Det die Männer so'n vermanschtet Ding jefällt
Aus Liebe ans Messer - da lach ick nur
Een richtcher Mann sacht: "Ick will Natur!"
Und macht er nich von selber Tam-tam
Hilft ihm ooch die neue Brust nich uffn Damm
Text: Julian Arendt
Musik: Paul Strasser
15 Ich bin so unmusikalisch
Sind wir mal ehrlich: wir Frauen sind doch sehr kreativ, wenn wir unser Ziel erreichen und den Angebeteten von uns überzeugen wollen. (Beinah) Jedes Mittel ist dabei recht! So zum Beispiel auch die herrlich schiefen Töne unseren Kehlen zu entlocken, wo manch andere vielleicht ein glasklares A singt. Nein, wir singen bewusst Cis statt C, denn dann schließt uns der Angebetete den Mund mit Küssen zu.
Ein lustiger Schlager aus dem beginnenden 20. Jahrhundert, mit großartiger Unterstützung an der Gitarre: Johannes Gerstengarbe!
Text: Alexander Steinbrecher/Erich Meder
Musik: Alexander Steinbrecher/Erich Meder
16 Weihnachten ist eine schöne Zeit!
…wenigstens das sagen alle Leut. Denn für viele Menschen ist das nichts, als Stress: kaufen, backen, basteln, kochen und weiter kaufen. Verwandtschaft rückt an, die Geschenke sind am Geschmack vorbei, immer schwerer wird es, den angeordneten Frieden aufrecht zu erhalten.
Doch irgendwann wird es sie geben, die Zeit, in der wir schenken, weil wir wollen und nicht weil wir müssen. „Dann lasst uns zusammen singen: Weihnachten IST eine schöne Zeit!“
Text und Musik: Georg Kreisler